Familie Maag – Segensempfänger und Segensbringer

Der Weg zu Stephan und Nadine Maag könnte schöner nicht sein an diesem sonnigen Tag. Es ist kurz nach Mittag als ich bei ihrem Biohof Sonnhalde mitten im Naturpark Gantrisch oberhalb Riggisberg ankomme. Der Kaffee dampft herrlich, als wir uns zum Interview hinsetzen. Zwei ihrer vier Kinder sind mit von der Partie und auch die Berner Sennenhündin heischt nach Aufmerksamkeit.

Als junge Familie sind Stephan und Nadine hierhergezogen, um eine besondere und segensvolle Lebensaufgabe zu übernehmen. Kennengelernt haben sie sich beim Theologie-Studium ISTL in Zürich. Sie merkten bald, dass ihre Herzen mit der gleichen Leidenschaft unterwegs sind: Menschen am Rand der Gesellschaft sollen Hilfe und festen Boden unter den Füssen bekommen. Seither haben sie Einiges bewegt und gestartet.

Auch hier in der Sonnhalde bewältigen sie verschiedene Arbeitszweige: Die Landwirtschaft auf dem bald 9ha grossen Biohof und dem grossen Gemüsegarten, mit dem sie weitgehend versuchen, Selbstversorger zu sein. Mit dem Verein notbett.ch geben sie Menschen mit verschiedenen Herausforderungen eine Integration in eine familiäre Umgebung. Durch ihr echtes Interesse, christlich geprägter Nächstenliebe, Gespräche und gemeinsame Aktivitäten bekommen die Betroffenen Würde und Hoffnung für ein selbstbestimmtes Leben. Und zu guter Letzt sind sie auch «Hoteliers» des Gebets- und Gästehauses Sonnhalde, wo Gäste ihre Ferien- und Erholungstage verbringen können. Zudem ist Stephan europaweit immer wieder als Prediger unterwegs. In allem erleben sie ganz praktisch, dass die Apostelgeschichte heute noch so aktuell ist wie vor 2000 Jahren. Und von dieser Sehnsucht und Leidenschaft sind sie beide erfüllt.

Da die Arbeit so vielfältig ist, arbeiten oft Praktikanten mit und unterstützen die Familie Maag in allen anfallenden Arbeiten. Aber auch Personen, die hier Unterschlupf gefunden haben, bekommen die Möglichkeit, integrativ mitzuhelfen.

Nadine und Stephan, was macht Euer Leben sinnvoll?

SM: Leben hier macht viel Sinn, weil wir mit der Natur leben, Nachhaltigkeit auf unserem Betrieb und für die Menschen möglich machen und versuchen, ihnen ganzheitlich zu helfen. Es ist ihre Not, die uns antreibt. Das war schon in Winterthur so, wo wir ebenfalls Menschen in Notlagen bei uns aufgenommen haben.

NM: Als Pharma-Assistentin erlebte ich, wie Männer und Frauen täglich in unsere Apotheke kamen, um ihre Portion Methadon abzuholen. Dieses Elend und die Sinnlosigkeit darin treibt mich an, ihnen hier bei uns zu ermöglich, gesund zu werden und wieder Boden unter den Füssen zu bekommen. Wir wollen zeigen, wie echtes Leben möglich ist.

SM+NM: Unser Haus ist ein offenes Haus, wir wollen Gemeinschaft leben, mit allen Ecken und Kanten, die wir ja selber auch haben. Das ist authentisches Familienleben, und es soll Menschen, welche aus Suchtsituationen kommen oder psychisch angeschlagen sind, zeigen, dass es möglich ist, weil Gott unser Halt ist. Sie dürfen so lange bleiben, wie sie wollen. Wenn möglich, helfen sie auf dem Hof und im Haushalt mit, alle haben ihre Ämtli und bekommen dadurch auch ihre Wertschätzung. Unsere Motivation ist, dass wir immer wieder erleben, wie Menschen verändert werden, gerade auch, weil sie Gott kennenlernen.

SM: Dann betreiben wir auf unserem Betrieb Permakultur. Das bedeutet, verschiedene Pflanzen, Obstbäume und Kulturen auf dem Feld sinnvoll miteinander zu kombinieren, sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umzugehen und zusammen mit der Schafhaltung eine langfristig gute und ergiebige Bodenbeschaffenheit zu erwirken.

Da seid Ihr aber sehr privilegiert, die Ihr hier an diesem schönen Ort lebt. Menschen in der Stadt können das doch gar nicht so umsetzen?

NM: Oh doch, alle können das. Es ist ein Entscheid, mit den vorhandenen Ressourcen sorgfältig zu haushalten. Sei es, beim Einkauf mehr auf Qualität und regionaler Herkunft zu achten, wiederverwertbare Bags und Boxen mitnehmen und die Nahrungsmittel gut zu verwerten. Man kann auch Dinge mit anderen teilen oder bewusst mit etwas weniger zufrieden sein. Wir leben in der Schweiz in grossem Überfluss und es gibt so viele Möglichkeiten, nachhaltig zu leben.

Wo erlebt Ihr ganz persönlich Segen?

SM: Gerade in der Natur, mit den Tieren und in der Arbeit als Bauer dürfen wir immer wieder Gottes Segen erleben. Auch in allen Herausforderung mit den Kindern werden wir beschenkt, gerade dann, wenn sich Lösungen beim Lernen und in der Schule ergeben. Dankbar sind wir auch für die guten Lehrpersonen, für hilfsbereite Nachbarschaften und Freundschaften, die dort langsam entstehen.

NM: Bäuerin zu sein ist eigentlich nicht meine Leidenschaft. Ich bin aber sehr pflichtbewusst und darum stelle ich die gemeinsame Vision und Berufung an erster Stelle. Ich bin und bleibe hier, das steht für mich fest. Gott hat uns hierhergestellt und hier wollen wir unsere Lebensaufgabe erfüllen, zusammen mit den Kindern und den Menschen, die uns finanziell und in praktischen Arbeiten unterstützen. In allem Schwierigen darin erlebe ich immer wieder viel Freude, Segen eben.

Gab es auch dürre Zeiten ohne Segen?

SM: Ja, es gibt immer wieder solche Zeiten. Dann brauchen wir einen sehr langen Atem. Zum Beispiel betreuten wir während vielen Monaten einen Mann mit einem grossen Suchtproblem. Eigentlich ein hoffnungsloser Fall. Da nicht aufzugeben und die Hoffnung für ihn nicht zu verlieren, brauchte unser ganzer Durchhaltewille und viel Gottvertrauen. Umso mehr freuten wir uns, dass wir diesen Sommer mit ihm zusammen ein Fest feiern durften: 1000 Tage frei von Alkohol.

NM: Corona war für mich mit dem Homeschooling der Kinder eine echte Herausforderung. Dabei entdeckte ich, dass eines unserer Kinder mit dem Schulsystem und seinen Anforderungen sehr zu kämpfen hat. Hier gute Lösungen zu finden und dabei nicht zu verzweifeln, kostete mich einige Nerven. Ich bin dankbar für die gute Unterstützung durch die Lehrerin, auch jetzt nach dieser Zeit.

Wo empfindet Ihr, dass Ihr Segensbringer seid?

SM: Wir wollen Menschen aus dem Sumpf herausholen und zeigen, dass es möglich ist, wieder einen festen Grund unter den Füssen zu bekommen. Sei dies hier oder auch auf meinen Reisen als Prediger, wo wir viel für Menschen beten dürfen und auch Wunder erleben. Da ich als junger Mann dies selber erlebt habe, weiss ich von was ich rede.

NM: Ein grosses Projekt war die Unterbringung und Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge. Wir haben uns stark dafür engagiert, dass im Dorf Schlafmöglichkeiten geschaffen wurden und die Kinder Unterricht bekamen. Dabei erlebten wir grosse Solidarität und Hilfe von vielen Menschen im Dorf und ausserhalb. Allerdings bin ich ab und zu an meine Grenzen gestossen und es kostete mich auch einige Tränen. Umso dankbarer bin ich, dass nun die meisten eine Wohnung haben und die Kinder in die Regelschule können. Einige sind bereits wieder zurück in die Ukraine, und zwei Frauen leben nun bei uns im Haus.

Wie erlebt Ihr den Kontakt zu den andern Bauern in der Umgebung?

SM: Es braucht hier viel Zeit, um als Neuzuzüger und Neustarter als Biobauer einen guten Draht zu den Nachbarn zu bekommen. Man wird beobachtet und wahrscheinlich auch belächelt. Und trotzdem ist bei Fragen und Notsituationen jeder Nachbar bereit, Hilfe zu leisten. Der Zusammenhalt unter den Bauern ist genial, alle wissen, dass man aufeinander angewiesen ist.

NM: Wir wünschen uns, dass auch unter uns Nachbarn echte Gemeinschaft möglich wird. Da ist auch meine Fantasie gefragt, um mit den andern Bäuerinnen Gedanken und Ressourcen zu tauschen.

SM: Schön ist auch, dass bereits einige Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung zu unseren Gottesdiensten gekommen sind, die wir ab und zu auf dem Hof veranstalten. Auch hier wollen wir authentisch bleiben, das Echte in unserem Leben soll sichtbar sein.

Nadine und ich plaudern noch eine Weile weiter, während sich Stephan verabschiedet, um zwei Mitbewohnern zu helfen, das Sommer-Tipi-Zelt wieder im Schopf zu verräumen. Die Arbeit in der Sonnhalde steht nie still. Trotzdem versuchen sie als ganze Familie immer wieder, sich eine Auszeit zu nehmen, ihren Hobbys nachzugehen und für ihre Kinder eine geborgene Familienstruktur zu schaffen.

Nadine und Stephan, ganz herzlichen Dank für den bereichernden Moment bei Euch auf dem Hof! Mir bleibt nur, Euch für die vielfältigen Aufgaben, die Ihr leistet, den besonderen Segen Gottes zu wünschen!

Das Interview führte Elisabeth Gutzwiller

Es wurde in gekürzter Form in der Ausgabe des SWK-Magazins «Rede Mitenand» 4/2022 zum Thema «SegensBringer» abgedruckt.