In der Ausgabe des SWK-Magazins «Rede Mitenand» 2/2022 ging es um das Thema «Schönheit», und wir hatten die Freude, dazu einen Experten und echten «Schöngeist» zu befragen: Dr. Johannes Hartl, Theologe, Familienvater, Beter, Philosoph, Musiker, Maler, Gründer des Augsburger Gebetshauses, Bestseller-Autor, Initiator der Konferenzen «MEHR/WENIGER» und «SCHØN», Internationaler Speaker und Initiator der Bewegung «Eden Culture». Nachfolgend das vollständige Interview:

In Deinem neuen Spiegel-Bestsellerwerk «Eden Culture» finde ich nicht unbedingt eine Definition von «dem Schönen», vielmehr sprichst Du von den Merkmalen «des Schönen» wie z.B. Ordnung, Wertschätzung, Grosszügigkeit u.a. mehr. Was liebst Du so an diesen Merkmalen?
JH: Das Schöne ist mehr als das Zweckmäßige. In unserem Leben ist so vieles verzweckt. Daher erinnert uns das Schöne daran, dass alles im Leben im Letzten ein Geschenk ist.

Der Volksmund sagt, «Schönheit» liegt im Auge des Betrachters». Du nicht, warum?
JH: Die Aussage ist in mehrere Hinsichten falsch. Zum einen gibt es meines Erachtens keine Kultur, in der man einen Sonnenuntergang nicht als schön empfindet. Und darüber hinaus meint der Satz «Etwas ist schön!» etwas anderes als bloß, «Ich persönlich mag das». Mit dem Satz «Etwas ist schön!» geht der Wunsch einher, dass auch andere es schön finden mögen und dass es wertvoll ist, beschützt zu werden.

Ich selbst komme aus der Kreativwirtschaft, in der man DNA-mässig Ausschau nach kreativer Exzellenz hält. Das aber nicht unbedingt immer zweck- bzw. funktionsfrei. Wie war das bei der kreativen Umgestaltung des Gebetshauses in Augsburg?
JH: Ich versuche, nach dem Grundsatz zu leben, das Schöne zu bevorzugen. Funktion allein genügt nicht. Auch beim Umbau war uns also wichtig, was drückt Exzellenz und Schönheit aus jenseits von bloßem Funktionalismus.

Beim SWK brennen wir leidenschaftlich für einen «gesunden» Umgang mit Sexualität und Nähe. In Deinem Buch wirbst Du für einen «neuen verzauberten Umgang mit Sexualität». Was verstehst Du darunter?
JH: Auch Sexualität darf nicht reduziert werden auf eine Funktion, und wir dürfen unseren Körper nicht auf das Physische reduzieren. Menschliche Liebe ist viel mehr als etwas rein Physisches. Nur wo es das zweckfreie Geben und Schenken und eine bedingungslose Annahme gibt, bleibt Sexualität meines Erachtens ganzheitlich schön.

Du beendest das Kapitel «Schönheit» in Deinem Buch mit einer Art Fazit, wo Du schreibst, dass wir uns nicht mit der «ästhetischen Umweltverschmutzung» abfinden und unseren «Lebensstil tiefgreifend transformieren» sollten. Welche konkreten Schritte braucht es da?
JH: Ich glaube, hier kann jeder bei sich selbst anfangen und das Schöne dem rein Zweckmäßigen vorziehen. Bei der Gestaltung von öffentlichen Gebäuden oder einem Stadtbild wünsche ich mir darüber hinaus eine neue Wertschätzung des Schönen. Denn nur das Schöne ist auch langfristig nachhaltig.

Transformation hat eine Menge mit Erkenntnis zu tun. Schönheit sicherlich mit Wahrheit und Ursprung. Wenn ich also Ausschau halte, nach «der Schönheit», befinde ich mich dann automatisch auf der Suche nach Gott?
JH: Ja. Letztendlich mündet die Suche nach Schönheit in Gott. Mich persönlich freut das aber gerade auch Menschen, die Glauben und Religion skeptisch gegenüberstehen, auf dem Ohr der Schönheit in Anführungszeichen noch hören. Im Letzten zeugt alle Schönheit von ihrer höchsten Quelle.

Wäre es richtig, wenn man sagt, dass Schönheit eine Art Lobpreis ist und Gott selbst darüber erfahrbar(er) wird?
JH: Ja, das stimmt grundsätzlich schon. Allerdings gibt es auch die falsche Schönheit, die vermarktete oder die oberflächliche Schönheit. Schönheit ohne Wahrheit wird zum bloßen Kitsch. Schönheit mit Wahrheit zusammen nähert sich allerdings dem Lobpreis immer an.

Das SWK bestärkt gerade junge Menschen in ihrer Individualität und Identität. Der Psalm 139 ruft uns zu, wie schön, wertvoll und geliebt jeder von uns ist. Die Social Media Welt da draussen, in der auch Du prominent unterwegs bist, predigt oft andere Dinge wie Vergleich, Neid und Filterschönheit. Was kann ein junger Mensch konkret tun, um ganz bei sich zu bleiben?
JH: Das ist eine der großen Herausforderungen für junge Menschen heute. Deshalb lautet ein Unterkapitel in meinem Buch auch «Der barmherzige Blick». Das hat tatsächlich mit dem Blick auf sich selbst zu tun. Ich glaube, nur wenn wir zutiefst erfahren, dass Gott uns annimmt und schön nennt, können wir einen solchen Blick auf uns selbst, auch auf unseren Körper mit all seinen Fehlern und Mittelmässigkeiten erlernen.

Wie würdest Du kurzgefasst die «Eden Culture» und die Ökologie des Herzens für ein neues Morgen zusammenfassen?
JH: Eine Kultur, die wieder Lust auf menschliches Leben macht und eine positive Zukunftsvision entwirft. Diese hat zutiefst damit zu tun, dass wir an unsere Quelle zurückkommen, an den Geber aller guten Gaben, letztendlich dem Geber des Seins.

Um mich auf den Weg nach Schönheit und einer neuen Verbundenheit zu mir selbst, Gott und dem Nächsten zu begeben, was braucht es da an konkreter Vorbereitung und Proviant für unterwegs?
JH: Das wird bei jedem ein bisschen anders aussehen. Grundsätzlich versucht mein Buch natürlich, ein solches Proviant zu sein. Egal an welcher Stelle Sinn, Verbundenheit oder Schönheit man ansetzen möchte, möchte ich dafür werben, konkrete Schritte zu gehen und sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen.

Gewähre uns einen kleinen Aus- und Einblick: Aus dem Buch «Eden Culture» wird ein Event und vielleicht eine Bewegung. Von was träumst Du? Für was brennst Du ganz persönlich in diesem Zusammenhang?
JH: Ich glaube, dass die Eden Culture nicht nur im Kopf beginnt, sondern damit, dass sie als eine Gemeinschaft von Menschen erfahrbar wird. Deshalb träume ich in der Zukunft von Events (am 7. Mai 2022 ist in Köln schon das erste), wo die Schönheit, die Verbundenheit und die Sinnhaftigkeit eines Miteinanders der Eden Culture spürbar wird.

In einem Interview sagtest Du «Jesus ist schön». Was findest Du schön an Ihm?
JH: An Jesus empfinde ich seine Worte und Taten schön. Das allerdings viel mehr als nur in einem platten ästhetischen Sinne. In ihm strahlt etwas auf, von dem, wie heiles Menschsein von Gott her aussehen könnte. Die intuitive Anziehungskraft, die die Gestalt Jesu nach den vielen Jahrhunderten immer noch auf uns auf auswirkt, würde ich als Schönheit bezeichnen.

Jesus ist laut Bibel u.a. unser Freund, Retter, König, Gott und auch Schöpfer. Kommt Dir in dem Zusammenhang mit dem Thema «Schönheit» der «Schöpfer-Gott» zu kurz? Mit anderen Worten wäre eine «Renaissance zurück zur Schönheit» eine Art Booster der Missionsbewegung? Oder wäre das dann schon wieder nicht mehr zweckfrei?
JH: Das Schöne will sich verschenken, und wer etwas schön findet, wünscht sich, dass auch andere dieses Schöne entdecken. Wer einen Freund zu einem Konzert einlädt, übt dadurch keinen Druck auf ihn aus, sondern wünscht einfach nur, dass der andere auch von dem begeistert ist, wofür man selbst brennt. Ja, ich glaube, wir brauchen eine Renaissance der Schönheit, auch in der Art und Weise, wie wir über Gott sprechen. Und das hat gerade dann nichts Zwanghaftes und Druckvolles, wenn es aus echter Herzens Faszination entspringt.

Geht es Dir mehr um das Verständnis «Woher(komme ich)», um das «Sein» oder das Streben nach dem «Werden»? Sollte Deiner Meinung nach auf den Kanzeln dieser Welt wieder mehr vom Ursprung (der Bibel und Schöpfung) gepredigt werden um das Urkonzept Gottes als Basis für mein Heute und Sein besser verstehen und leben zu können?
JH: Ich glaube, dass die Verwechslung des Christentums mit einem moralisch ethischen Konzept zur Selbstverbesserung eines der großen Dramen der jüngeren Geistesgeschichte ist. Tatsächlich entspringt unser Werden von Gott her prinzipiell immer unserem Sein und auch unserem Angenommen sein. Außerdem steht nicht unser Tun im Mittelpunkt des Evangeliums, sondern das Wesen Gottes, wer er ist und was er tut.

Abschliessend vielleicht noch ein geflügeltes Wort: «Wahre Schönheit kommt/oder strahlt von innen». Teilst Du das und falls ja, welche Dinge kann ich unternehmen, um innerlich schön zu werden?
JH: In Einklang mit Gottes Werten leben. Auch dann danach handeln, wenn es niemand sieht. Herzlichkeit. Großzügigkeit. Vergebung kultivieren. Wahre Gedanken denken und sich trauen, diese auch auszusprechen.

Vielen Dank, Johannes, für deine wertvollen Gedanken.

Das Interview führte
Eberhard Johannes Koll
Leiter Marketing und Kommunikation

März 2022