Mit acht Jahren in der Pubertät?
Mädchen zu Beginn ihrer Reise in’s Erwachsenwerden – Fragen an Matthias Bischofberger, Sexualpädagoge, Ehemann, Vater von 4 Kindern, tätig beim Schweizerischen Weissen Kreuz. Seit 2013 hat er ein paar hundert sexualpädagogische Einsätze in kirchlichen Gruppen und Schulklassen, vor allem in 5. und 6. Klassen, durchgeführt.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Zyklusmentorin Josianne Hosner von www.quittenduft.ch, die das Interview geführt hat.
1. Von vielen Müttern höre ich: „Meine Tochter ist erst 8 Jahre, aber sie verhält sich schon so, als ob sie in der Pubertät ist. Wie wird das nur enden?“. Kannst du uns etwas über die physische und psychische Entwicklung von Mädchen im Alter von 8 bis 10 Jahren erzählen?
Matthias Bischofberger (MB): Pubertät beginnt oft noch vor den körperlichen grösseren oder sichtbaren Veränderungen im Verhalten eines Mädchens. Zu Beginn der Pubertät wächst die Gebärmutter, meist unbemerkt, ev. von Bauchschmerzen begleitet. Aber ja, Merkmale der Pubertät, was das Zwischenmenschliche betrifft, können da bereits auftauchen. Sie können von ersten Verunsicherungen herrühren: Wer bin ich? Bin ich attraktiv? Bin ich zufrieden so wie es ist? Daneben beginnen sich die sozialen Kontakte und Interessen zu verändern:
- Die Zuwendung zu Gleichaltrigen (zur Peer-Group) steigt
- Grenzen werden ausgelotet, der Einfluss der Eltern nimmt ab (dies ist normal und gut, es geht ja schlussendlich um Ablösung)
- Die Eltern werden beobachtet und hinterfragt punkto Gewohnheiten, Weltanschauungen, Prestige, Leistung, Erfolg…
Acht Jahre ist nicht einmal unbedingt früh, sondern ganz im Normalbereich, denn bei einigen Mädchen starten ab achteinhalb bereits die ersten Veränderungen. Bei einem Körpergewicht zwischen 40 und 45 kg setzt die Pubertät ein, sofern der Körper-Fettanteil im Normalbereich liegt. Und in der Regel bis zu drei Jahre früher als noch vor 30 Jahren, wahrscheinlich infolge besserer Ernährung und Hygiene. Vor allem aber ist Start und Verlauf der Adoleszenz genetisch gesteuert.
Wie wird es enden? Spätestens mit dem Ende der Post-Adoleszenz, bei Männern etwa mit 22 Jahren, bei den Frauen etwas früher, weil sie den männlichen Artgenossen sowieso ca. zwei Jahre voraus sind punkto körperlicher Entwicklung. Dann sind Stürme oft zur Ruhe gekommen, auch aufgrund der eigenen neu erlangten Autonomie der jungen Erwachsenen. Es ist aber grösstenteils Einstellungssache wie das endet: Denkt man eher: «Es wird mühsam…» oder: «Es ist eine interessante Zeit der Veränderung. Mein Kind wird erwachsen!» Es wird fruchtbar, das ist ja was Wunderbares!
2. Was gibt es für weitere spannende Meilensteine in der Entwicklung eines Mädchens zur Frau?
MB: Wie gesagt werden die ersten körperlichen Entwicklungen kaum wahrgenommen. Es wächst ganz im Verborgenen die Gebärmutter, gleichzeitig aber auch die Vagina mit den inneren und äusseren Labien (nennt sie ‘Vulvalippen’ statt Schamlippen, denn da gibt es nichts, worüber Frau sich zu schämen braucht!).
Wahrscheinlich entdecken das die meisten Mädchen nicht auf Anhieb. Gerade wenn sie gehemmt oder zu scheu sind, sich nackt anzuschauen oder sich zu untersuchen. Es gibt Bräuche, da schenken Mütter ihren Töchtern zu Beginn der Pubertät einen Handspiegel, damit sie die äusseren weiblichen Geschlechtsorgane ansehen, die Veränderungen mitverfolgen und hoffentlich auch besser bejahen, können.
Dann starten die besser sichtbaren Merkmale: Die Intim-Behaarung ca. zwischen achteinhalb und zwölfeinhalb Jahren, ein erster Schub der Brustentwicklung zwischen 9 und 13.5 (der Zweite: zwischen 12 und 16.5) Jahren.
Was oft Fragen auslöst: Der erste Weissfluss. Die Gebärmutter wird aktiv und «trainiert». Dies kann mit 9.5 Jahren, oder auch erst mit 14 Jahren geschehen. Innerhalb ein bis zwei Jahren nach dem ersten Auftreten des Weissflusses wird die Mens eintreten. Hier sind Mädchen verunsichert, worum es sich dabei handelt, und es ist gut, sie frühzeitig aufzuklären, ihnen zu erklären, dass es nichts krankhaftes ist, sondern ein toller Schritt auf dem Weg zur Fruchtbarkeit, zum Erwachsenwerden und mit einer Binde im Slip aufgefangen werden kann.
3. Viele kleine Mädchen gehen ganz unbeschwert mit ihrem Körper um, irgendwann kippt das: Körper werden verglichen, zu viel Haut will man nicht mehr zeigen. Ist das eine normale Entwicklung, ist die sogar für etwas gut?
MB: Mit Veränderungen kommen Unsicherheiten. Mit dem Älterwerden kommen die wichtiger werdenden Bezüge zu Gleichaltrigen, wenig älteren Teenagern, oder auch Idolen dazu. Da kann ein Vergleichen einsetzten, dass dazu führt, dass man zuerst einmal verbirgt, bis man genug sicher ist, dass das Eigene ok, oder normal oder genug gut ist. Oder man genug Selbstbewusstsein aufbringt, dass es einem egal ist. Oder Selbstbewusstsein auch auf diese Thematik des (neuen) Aussehens übergeht. Diese Verunsicherung kann aber leider auch sehr lange dauern, bis zum Ende der Adoleszenz oder gar nicht mehr weichen.
Ein gesundes Schamgefühl ist auf der anderen Seite auch hilfreiches. Denn bei den jungen Teenagern des männlichen Geschlechts springen die Sexualhormone ebenfalls an und nackte Haut, freizügige Kleidung lösen bei Jungs Reaktionen aus. Wer diesen Reaktionen nicht ausgesetzt sein will, hält sich also (besser) eher bedeckt. Nicht, dass das die richtige Art wäre – die Mädchen sollten anziehen können was sie wollen, die Jungs sollten anständig sein. Aber wir sprechen von acht- oder neujährigen, gleichaltrigen oder wenig älteren Jungs, die es oft nicht besser wissen.
Nicht zu vergessen, dass auch viele erwachsene Männer die Jugend oder eben sogar Teenager-Mädchen als ihre sexuelle Präferenz haben. Nicht unbedingt in der Praxis aber in der Fantasie oder beim Konsumieren von pornografischem Material. Sich ihnen nicht allzu offen zu präsentieren ist eine nützliche Seite des Schamgefühls – obwohl es diese Männer, im Vergleich zu den Jungs, besser wissen sollten. Aber so einfach ist es nicht – sexuelle Präferenzen reichen tief in die eigene Identität und Geschichte…
4. Eine Bekannte kam auf mich zu und sagte: «Meine zehnjährige Nichte will sich ihre ersten Intimhaare bereits entfernen. Ist das nicht unnatürlich oder fast schädlich?» Was würdest du antworten?
MB: Der Slip, wie wir ihn heute gebrauchen, kann die Intimbehaarung von der Funktion her ersetzen. Es ist fraglich was zielführender ist: Der Tochter etwas zu verbieten, was eigentlich niemanden etwas angeht ausser sie selbst, oder zu intervenieren und zu verbieten, weil es ja wirklich eher unsinnig ist. Ein Weg wäre wohl, sie nach den Beweggründen zu fragen und sie zu bitten, diese Idee noch etwas zu bewegen, bevor sie in die Tat umgesetzt wird. Auch könnten Nebenerscheinungen besprochen werden, die beim Rasieren allgemein auftreten: Hautrötungen, -Irritationen, Schnittverletzungen…
Die Vorbilder für rasierte Vulven sind in der Pornografie zu finden und der gesellschaftliche Trend kommt in den meisten Fällen von da. Die Frage stellt sich nun: Hat die Tochter etwas davon gehört? Davon gesehen? Ihre Kolleginnen? Kollegen? Wäre es gut für sie, wenn sie darüber reden kann? Oder, kann ich ihr wenigstens sagen, was ich darüber denke und wie ich es handhabe?
5. In vielen indigenen Kulturen wurde die erste Menstruation, also die Menarche, gefeiert. Heute wird diese Idee zwar in einigen kleinen Kreisen sehr willkommen geheissen, in anderen aber wird sie belächelt. Siehst du selbst eine Wichtigkeit, diesen Wechsel im Leben eines Mädchens, einer jungen Frau, zu betonen?
MB: Sagen wir es so: Da es nun mal nicht kulturell verankert ist, also z.B. bei allen Kolleginnen der Tochter normal ist, sowas zu tun, wird die Idee wahrscheinlich mit Skepsis aufgenommen. Das heisst nicht, dass man es nicht vorschlagen kann/soll. Aber es ist wichtig herauszufinden, wie so etwas eine Tochter, ein Mädchen gerne gestalten würde. Im kleinsten Rahmen Mutter-Tochter? In der Familie? Mit ausgewählten Freundinnen? Darf irgendjemand etwas davon erfahren? Z.B. die Kinder in der Schule? Wenn nicht, muss man sehr vorsichtig sein, welche Klassenkolleginnen dabei sind und ob sie wirklich dichthalten können… da hätte ich zum Beispiel bedenken, ob das überhaupt geht. Ich denke es muss ein Rahmen gefunden werden, in dem es dem Mädchen wohl sein kann. Das fände ich enorm wichtig. An einem Eltern-Kind Wochenende gab es mal ein Mädchen, das mit seiner Mutter absolut nicht über die Mens reden wollte. Die Mutter konnte mit ihr «nur» ein Zeichen vereinbaren, wenn es dann soweit ist, damit sie helfen könnte, falls nötig. Kurze Zeit später war es soweit, und es war gut so. Die Tochter wollte nicht mehr als dies.
Bevor die Mens überhaupt das erste Mal eintrifft, ist es jedoch wichtig, dass die Tochter Informationen darüber bekommen hat: Was die Mens überhaupt ist, wie man damit umgehen kann und wo es z.B. Binden im Haushalt gibt oder wo man sie sich besorgen kann und mit wessen Geld sie besorgt werden. Was die Vor- und Nachteile die Mens mit sich bringt. Wie verschiedenen Hygieneartikel angewendet und verglichen werden können.
6. Was empfiehlst du Mädchen, die sich für ihre Menstruation schämen? Wenn z.B. ein Mädchen stark blutet, vielleicht auch Schmerzen hat, sie es ihrem Lehrer nicht sagen möchte? Wie kann sie ihre Privatsphäre wahren?
MB: Fühlt sich ein Mädchen krank wegen den Mens, darf es krank sein und in der Schule fehlen. Wenn das Mädchen während des Unterrichts von der Mens oder Mens-Schmerzen überrascht wird, sagt es im besten Fall, es fühle sich krank und geht dann nach Hause. Dazu kann man es ermutigen. Wenn dazu zu viel Scham da ist, weiss ich nicht, was das Beste ist. Es geht eine Lehrperson jedenfalls nichts an, wenn ein Mädchen die Mens hat. Die Lehrperson muss es nicht wissen, sie muss nicht informiert werden.
Wenn es um das Thema Schwimmunterricht und Mens geht, haben Schulen hoffentlich eine Regelung, die man herausfinden kann. Hier könnte man deswegen bei Lehrpersonen oder Schulleitungen nachfragen. Gibt es diese nicht, kann man als Eltern die Tochter wegen Unwohlsein entschuldigen.
Informiert sein, ein starker Selbstwert, Vorbilder oder Vorgaben, an denen man sich orientieren kann, wirken Scham entgegen … Scham gehört zum Leben, kann sowohl stören oder sogar zerstören. Aber Scham kann auch als ein guter Wegweiser zu einem gesunden und natürlichen Verhalten verhelfen, so dass es dem Mädchen wohl ist/wird.
7. Ich habe die Tochter einer Freundin gefragt, ob sie ihre Menstruation schon habe. Ihre Antwort war: „Nein, zum Glück noch nicht“. Als ich nachhackte, wieso ‚zum Glück‘, meinte sie: „Ich will doch diesen Scheiss nicht haben“. Das habe ich als Menstruationskundige natürlich bedauert. Denkst du, dass es da weitere Aufklärungsarbeit bedarf als lediglich die Aufklärung über Verhütung, Biologie, Geschlechtskrankheiten?
MB: Wir als Sexualpädagogen versuchen über das Erwachsenwerden, das Fruchtbarwerden einen positiven Zugang zur Mens, zur Menarche zu ermöglichen. Zusammen mit der Erklärung über Funktionsweisen und einem natürlichen, spielerischen Umgang mit der Thematik (wir kneten in der 6. Kl. die inneren und äusseren Geschlechtsorgane mit Play-Doh-Kinderknete nach), wollen wir die Geschlechtlichkeit als etwas Schönes, Tolles und ja auch sehr Nützliches zeigen. Nützlich, weil es zu etwas führen kann, was viele als sehr grossartig erachten: Eine Familie gründen zu können. Und dazu soll die Zeugung und sogar das eigene Sich beschäftigen mit den Geschlechtsorganen noch lustvoll sein…. super!
Ansonsten findet eine Stärkung der sexuellen Entwicklung grösstenteils im nichtsexuellen Bereich statt. Wie sowieso die Grundlagen und Fähigkeiten, die in der Sexualität wichtig sind, ebenfalls im nichtsexuellen entwickelt werden. Dinge wie Beziehungsfähigkeit, Selbstbewusstsein, Körpergefühl, Vertrauen usw.
8. Wohin kann sich ein Mädchen oder eine junge Frau wenden, wenn sie nicht einem klassischen Rollenbild entspricht? Oder sich eine Transsexuelle-Entwicklung abzeichnet? Sich z.B. eine junge Frau eher dem männlichen Geschlecht nahefühlt?
MB: Die Schulsozialarbeiter*Innen wissen inzwischen Bescheid. Auch die Lehrpersonen sind teilweise sensibilisiert. Es gibt schon ein paar Fälle auch in der Schweiz, bei denen sich einzelne Schuleinheiten Gedanken darüber machen mussten/wollten, was jetzt zu beachten ist. Hilfe erhalten sie dabei von Fachstellen, die sich online finden lassen. Auch von jungen Leuten lassen sie sich finden. Die Ärzteschaft sollte ebenfalls Bescheid wissen und weithelfen können.
Bei Transgender-Kindern gilt es, sich gut über mögliche Schritte zu informieren. Die Diskussion, welche Garderobe nun benutzt wird, ist das eine. Behandlungen zur Vorbereitung einer Geschlechtsumwandlung etwas ganz anderes. Z.B. Hormonbehandlungen, die stark in den Körper eingreifen, sind kaum rückgängig zu machen. Solche weitreichenden Entscheidungen im Kindesalter zu treffen, ist ein heikles Unterfangen für alle Beteiligten. Berichte von heute erwachsenen Transmenschen machen hellhörig, einige mahnen ebenfalls zur Vorsicht.
Ganz allgemein gehören zur Psycho-Sexuellen-Entwicklung Phasen oder Aussagen, bei denen das eigene Geschlecht abgelehnt oder als schlechter empfunden wird als das andere. Oder Aspekte davon. Oder für das andere geschwärmt wird. Oder der Penisneid: «Wenn ich dann mal einen Penis habe, dann…»
9. Wie fördern wir als Eltern die ‚body positivity‘? Was bedeutet für dich ein respektvoller Umgang mit dem eigenen Körper? Wie können wir das unseren Kindern mit auf den Weg geben?
MB: Wie gesagt findet der grösste Teil der sexuellen Entwicklung im nichtsexuellen statt. Also einfach weiterhin das Kind lieben, schauen, ob die Liebe auch ankommt (Stichwort: Die fünf Sprachen der Liebe), sich in Geduld, Gelassenheit üben, gerade als Eltern von Teenagern. Dann Vorbild sein. Dies prägt am meisten. Bei einem Versuch haben Teenager-Mädchen genau die gleichen Körperteile bei sich als «nicht schön» beschrieben, wie ihre Mütter. Die Interviews wurden getrennt geführt.
Dann gilt es weiterhin zu erziehen, da nicht aufzugeben, Grenzen zu setzten, damit die jungen Leute Möglichkeiten haben, sich von uns als Erwachsene abzugrenzen gleichzeitig aber auch geschützt sind. Daneben gilt es immer mehr, je älter das Kind wird, sie als ebenbürtige Partner zu sehen, mit denen man verhandelt und auf Augenhöhe kommuniziert. Diesen Prozess zu gestalten ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich, dranzubleiben, sich darüber Gedanken zu machen.
10. Was braucht ein Mädchen zwischen 10 und 15 für eine gesunde Entwicklung des Ichs? Wie werden Mädchen ‚stark‘, selbstbestimmt und lernen, dass sie wertvoll sind?
MB: Wie gesagt ist das Vorbild der Mutter, anderer Frauen, des Vaters, der Geschwister, von anderen Familien oder Freunden wichtig. Es bedeutet also, an sich selbst zu arbeiten als Mutter, als Vater. Sich Fragen zu stellen wie: Von was lasse ich mich beeinflussen? Mit wem vergleiche ich mich? Gehe ich selbst der Beauty- und Mode-Industrie auf den Leim? Weil, ihr Trick ist ja, uns schlecht aussehen zu lassen neben all den Models und am Computer bearbeiteten Bilder, damit wir ihre Produkte kaufen, um diesen ähnlicher zu werden. Oder auch um dabei zu sein. Was leben wir da vor?
Dann braucht eine Tochter Freundschaften, die ihr guttun. Das kann man noch recht gut mitprägen, wenn sie erst so acht oder neun sind, diese fördern und versuchen, schlechte Einflüsse durch ungute Beziehungen zu minimieren.
Dann braucht es Tätigkeiten, Mitwirken Zuhause, Hobbys, die das Selbstvertrauen stärken. Bei Vereinen oder Trainings kann man darauf achten, nicht nur ein stimmiges Angebot zu suchen, sondern die Kultur kennenzulernen, die untereinander herrscht, bevor man sich dafür entscheidet. Die Magglingen-Protokolle haben gezeigt, dass nicht überall, auch wenn es richtig professionell ist, der Selbstwert gestärkt wird. Bringt man einer Tochter bei (bespricht man es mit ihr oder spielt allenfalls mögliche Situationen in Rollenspielen mit ihr durch), erkennt die Tochter schneller ungute Situationen, auch wenn sie strukturell und dadurch schlecht erkennbar sind.
Deswegen ist das Aufrechterhalten der Beziehung so wichtig, durch alle Schwierigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten hindurch. Damit weiterhin eine Anlaufstelle da ist, um Dinge besprechen und miteinander prüfen zu können. Dass dieses Beziehungsangebot nicht immer angenommen wird, ist normal in der Zeit Heranwachsender. Trotzdem ist es wichtig, dieses Angebot immer wieder zu signalisieren. Dies kann z.B. mit dem Verbringen gemeinsamer Zeit oder räumliche Nähe auch ganz ohne Gespräche sein.
Stellt ein Mädchen so ganz nebenbei eine Frage, kann man darauf achten, sie auch so nebenbei zu beantworten. Und nicht gleich eine Aufforderung zu machen, sich zusammen hinzusetzten und somit ein langes und ernstes Gespräch zu signalisieren. Es war wahrscheinlich Absicht, beim Autofahren, beim Kochen oder so zu fragen, wo sowieso nicht soviel Zeit ist. Dies gilt es zu respektieren.
11. Gibt es etwas dir Wichtiges aus deiner Tätigkeit als Sexualpädagoge, das du uns mit auf dem Weg geben kannst?
MB: Dem Teenager-Mädchen Komplimente zu machen, ist hilfreich. Von Leuten, die sie lieben und zu denen es Vertrauen hat, kann es ein Kompliment am ehesten annehmen (auch wenn sie es evtl. nicht gleich zeigt). Man kann sich überlegen, wer mithelfen kann, das Mädchen auf ebenso eine Art zu stärken. Dies, damit eine Tochter noch einen anderen Referenzpunkt behält, neben den bearbeiteten Profilen in den sozialen Medien, Modeplakaten usw. «Du bist ok wie du bist!» oder: «Du bist schön, wie Du bist!».
Bei gläubigen Teenagern kann ein solcher Referenzpunkt auch ausserhalb sein, bei einem Gott, der sagt: «Ich habe Dich wunderbar geschaffen!» Dazu erzähle ich manchmal bei sexualpädagogischen Einsätzen in kirchlichen Gruppen folgende Geschichte:
Gott verschwand im Himmel immer wieder in einer schönen Hütte und kam ganz zufrieden wieder hinaus. Die Engel fragten sich, was er Tolles mache und fragten, ob sie mal mit hinein dürfen. Ja gerne, sagte Gott und die Engel setzten sich, und Gott fing an auf einer Staffelei einen Menschen zu malen. Er verschwand immer mal wieder in einem Nebenraum, kam zurück und malte weiter. Was er denn da mache, fragten die Engel weiter. Gott erklärt: Ich sehe dahinten in den Spiegel… und male weiter meinen nächsten, geliebten, schönen Menschen, nach meinem Bild.
Als Autorin, Menstruationskundige und Tabubrecherin will ich nichts lieber, als mein Wissen teilen.
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