In der Ausgabe des SWK-Magazins «Rede Mitenand» 4/2023 ging es um das Thema: «SinnStifter», und wir haben dazu ein Interview mit der Pastorin Josephine Teske geführt. Mehr als 40K Menschen folgen Josephine Teske auf ihrem Instagram-Channel «seligkeitsdinge».

Natascha Hürlimann (NH): Es freut mich sehr, dass du uns Fragen zu dir und deiner Arbeit beantwortest. Nimmst du uns in die Entstehungsgeschichte von «seligkeitsdinge» mit?

Josephine Teske (JT): Im Jahr 2015, ich war gerade in der praktischen Ausbildung zur Pastorin, hatten auf einmal alle Facebook. Social Media war nichts für mich, denn witzigerweise wollte ich mein Privatleben für mich behalten. Aus Langeweile installierte ich Instagram dann doch und begann sporadisch zu posten. Als ich über meine Arbeit als Pastorin erzählte, stellte ich fest: die Menschen interessieren sich dafür! Es war nie mein Ziel, eine Sinnfluencerin mit grosser Reichweite zu werden. Bis heute plane ich keine Posts im Voraus und besitze kein spezielles Equipment.

NH: Wie kam es dazu, dass du dich für ein Theologiestudium entschieden hast?

JT: Anfangs der 90er kam ich per Zufall in eine Kirchengemeinde. Als Christin war ich in der ehemaligen DDR eine Exotin und wirkte vermutlich komisch auf meine Mitschüler:innen. So kam’s, dass ich immer mehr Zeit in meiner Gemeinde verbrachte. Ich erinnere mich gut an eine Freizeit (Gemeinschaftswochenende), welche die Kirche organisierte. Es war unglaublich schön. Am Ende des Wochenends wünschte ich mir, dass dieses Gefühl der Gemeinschaft und des Wohlseins nie endet. Auch wenn mir noch nicht bewusst war, was es heisst, Theologie zu studieren, fiel ich meine Entscheidung zur Berufswahl. Mein Wunsch war und ist es auch heute, für Menschen einen Ort zu schaffen, an dem sie sich wohlfühlen.

NH: Was treibt dich an, deine Herzensanliegen nach aussen zu tragen?

JT: Einerseits freut und motiviert es mich sehr zu hören, dass ich Menschen berühren oder zum Nachdenken bewegen konnte und sie sich verstanden fühlen. Andererseits stelle ich fest, dass der Druck, welcher in unserer Gesellschaft besteht, gross ist. Er definiert unseren Blick auf uns selbst und andere. Wir be- und verurteilen so schnell, da nehme ich mich selbst nicht raus. Deshalb teile ich auf Instagram neben Andachten auch Alltägliches wie beispielsweise meine unaufgeräumte Küche. Ich zeige, dass in meinem Leben genauso Dinge schiefgehen. Ich möchte Menschen ermutigen, mehr aus sich rauszugehen.

NH: Erlebst du negative Kritik auf Social Media?

JT: Wenn du online gehst, wirst du für alles Mögliche angefeindet. Zeige ich, wie ich Fleisch esse, ist es nicht recht. Berichte ich über vegetarisches Essen, bekomme ich Nachrichten mit dem Vorwurf, ich sei zu links oder grün. Die meisten dieser Mitteilungen treffen mich nicht. Als ich vor einem Jahr mit den Kindern nach Hamburg umgezogen bin – ich bin alleinerziehend und voll berufstätig – erhielt ich von einer Person zwei Mails. Sie schrieb, dass ich eine schlechte Mutter sei. Ich fühlte mich durch den Umzugsstress eh schon schlecht und so hat mich ihre Aussage tief getroffen. Nach der Nachricht musste ich mich sammeln und mein Verhalten reflektieren. Sowas zeige ich dann nicht öffentlich.

NH: Auf welche Themen erhältst du bei Social Media die meisten Reaktionen?

JT: Zum Thema Tod. Er betrifft alle Menschen und viele sind durch ein Erlebnis mit ihm geprägt. Bei Beerdigungen, die ich begleite, poste ich oft, welches Lied beim Abdankungsgottesdienst gespielt wurde. Das berührt Menschen oder erinnert sie an Eigenes. Zum Thema Scheidung erhalte ich ebenfalls viele Nachrichten.

NH: Nimmst du signifikante Unterschiede zwischen Pastorinnen und Pastoren wahr?

JT: Anfangs 30 begann ich als Pastorin zu arbeiten und erhielt Bemerkungen wie: «Bei einer so hübschen Frau fragte ich mich zuerst, was Sie können. Aber jetzt bin ich positiv überrascht!» Auch meine buntlackierten Nägel oder Kleidung wurden kommentiert. Männliche Kollegen erhalten dagegen wenige bis keine Kommentare zu ihrem Aussehen. Doch ich sehe einen positiven Wandel. Frauen führen heutzutage andere Aufgaben aus, leiten Gemeinden und sind nicht nur fürs Kuchenbacken zuständig. Da tut sich viel und ich schätze die Offenheit der Deutschen Evangelischen Kirche sehr.

NH: Welches Erlebnis als Pastorin bewegte dich besonders?

JT: Ich erinnere mich an die erste Beerdigung eines jungen Menschen, der mit 15 Jahren verstarb. Jedes Mal, wenn ich an seinem Zuhause vorbeifuhr, dachte ich an seine Familie. Das werde ich wohl nie vergessen. Das plötzliche Sterben und aus dem Leben gerissen werden beschäftigte mich lange und berührt mich bis heute.

NH: Du erzählst offen darüber, dass dein Sohn Samuel in deinem Bauch gestorben ist. Was hat der Tod deines Kindes mit dir gemacht?

JT: Während des Studiums verlor ich meinen Glauben und den Kontakt zur Gemeinde. Nach Samuel’s Tod war Gott plötzlich wieder präsent und spürbar. Gott während dieser Zeit wahrzunehmen, gab mir so viel Trost und veränderte mich tief. Für mich ist klar; zeigt sich Gott in einer solchen Situation, ist er immer da. Diese Zuversicht hat mich für alles gestärkt. Ich habe die Kraft, Dinge zu tun, wie mich auf Instagram verletzlich zu zeigen. Ich wertschätze meine Kinder und sehe, dass es nicht selbstverständlich ist, sie jeden Abend gesund ins Bett zu bringen. Und ich weiss, was für eine Pastorin ich sein will: eine Seelsorgende, die Menschen begleitet.

NH: Das SWK setzt sich für Sexualpädagogik an Schulen und Kirchen ein. Was denkst du, wo steht die Kirche hier?

JT: Besonders für junge Menschen wird es zunehmend selbstverständlich, andere nicht ungefragt anzufassen oder sich nicht allein mit einem Kind in einem Raum aufzuhalten. Social Media unterstützt die Aufklärungsarbeit.

Eine grosse Frage ist für mich, wie wir mit der Geschlechtervielfalt umgehen wollen. Manchmal wird der Deutschen Evangelischen Kirche nachgesagt, sie jage dem Zeitgeist nach. Transmänner und -frauen waren schon immer in unseren Gemeinden und gibt es nicht erst, seit das Thema öffentlich besprochen wird. Verändert hat sich nur, dass dem Thema mehr Aufmerksamkeit geschenkt und Menschen mit Geschlechtervielfalt mehr Raum zugestanden wird. Ich sehe es als Aufgabe der Kirche, für Menschen einen Raum zu schaffen, in dem sie sicher sind – egal welchem Geschlecht sie angehören. Wir müssen darüber sprechen und aufklären.

NH: Was wünschst du dir für deine Zukunft?

JT: Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich mit dem Status quo zufrieden. Ich habe kein Bedürfnis, meine Karriere zu forcieren oder zusätzliche Follower zu erreichen. Mein Leben ist gerade so schön und ich geniesse es. Ich wünsche mir, dass das noch eine Weile so bleiben darf.

NH: Ich bedanke mich für deine Offenheit und dass du uns Einblick in deine Erlebnisse gegeben hast. Ich wünsche dir, dass du noch viele Menschen ermutigen und berühren darfst.

Das Interview führte
Natascha Hürlimann
Mitarbeiterin beim SWK

Oktober 2023