Nach seiner fünfjährigen Ausbildung zum Flugzeugmechaniker und Airline-Transportpiloten im Moody Bible Institut, mit Spezialausbildung zum Buschpiloten für erschwerte Bedingungen, half Daniel Juzi mit, in Afghanistan die humanitäre Organisation PACTEC (Partners in Aviation and Communication Technology) aufzubauen. Es ist nicht nur seine grosse Leidenschaft fürs Fliegen, die ihn antreibt, es ist auch die Hingabe an die Organisation und an die humanitäre Arbeit.

Sein Lebensmotto ist geprägt von seinem Glauben an Jesus Christus: Aufgerufen, Brot und Wasser zu geben, dort, wo die Menschen keines haben und so zu helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern. Das bedeutet bei Daniel Juzi konkret, ihnen durch die Fliegerei Bildung und Zugang zu ärztlicher Versorgung zu ermöglichen, die Logistik, Helfer, Gesundheitsmaterial und vieles mehr in entlegene Gebiete zu transportieren. «Sich aufzuopfern ist uns von Jesus vorgelebt worden», sagt Daniel und erzählt, das schon seine Eltern sich für andere Menschen in Thailand eingesetzt haben, weit über das Pensionsalter hinaus. Die Empfehlung, Buschpilot zu werden, kam eigentlich von seiner Mutter, die erkannte, dass Daniel eine Begabung in mechanischen Dingen hatte.

Afghanistan

Seit 1997 organisiert und fliegt er als Chefpilot und Desaster Respond Manager zusammen mit einem Team Transportflüge in diesem riesigen Land, so gross wie Frankreich. Wie schwierig es ist, die Menschen per Transportmittel zu erreichen, sieht man auf der Karte: Das Land ist durch das grosse Gebirge Hindukusch durchschnitten. Abgelegene Orte oder Berggebiete, wo überall Menschen auf sich alleine gestellt leben, erreicht man am schnellsten in der Luft, was im Winter sowieso nur so möglich ist. Daniel treibt die Motivation, gerade solchen Menschen zu helfen und für sie zum Gipfel(er)stürmer zu werden.

Daniel ist seit 21 Jahren mit Tiia verheiratet. Auch sie war mit einer humanitären Organisation in Kabul stationiert, wo sie sich in der Sprachschule kennenlernten. Mit ihren zwei Söhnen lebten sie bis 2015 in Kabul – im Herzen bleibt dies wohl ihr Zuhause. Für die Ausbildung der Söhne sind sie zurück in die Schweiz gezogen. Daniel wird aber immer wieder für neue Einsätze wochenweise zurückberufen. Dabei erweiterte sich sein Gebiet um einige Länder: Überall da, wo Krisen entstehen durch Erdbeben, Überschwemmungen oder Kriegszustände wird er und sein Team gerufen, um in Notsituationen zu helfen.

Ich treffe Daniel kurz vor einem neuen Einsatz in Afghanistan. Er erzählt mir, was mit PACTEC und den anderen humanitären Organisationen geschehen ist, seit sich das Land im letzten Jahr politisch wieder in eine neue Richtung bewegt.

Wie hast Du den August 2021 erlebt?

Mein Job bei PACTEC als einer von vier Desaster Respond Manager bedeutet, dass ich verantwortlich bin, bei akuten Krisen irgendwo auf der Welt Lösungen zu suchen. So leitete ich von der Schweiz aus die Evakuation aller unserer ausländischen Mitarbeiter mit ihren Familien aus Afghanistan. Dazu mussten auch unsere drei Flugzeuge ausser Land geschafft werden. Dies alles erforderte eine logistische Höchstleistung. Ein ausländischer Mitarbeiter blieb aber vor Ort, um mit unseren einheimischen Mitarbeitern, sprich Wächter, Techniker und Büro-Mitarbeiter die restliche Logistik und Infrastruktur in unserem Hangar in Kabul zu betreuen und wo möglich zu beschützen. Durch das abziehende ausländische Militär sind fast alle unsere Fahrzeuge beschädigt worden. Diese wurden aber nun wieder instand gesetzt.

Wie sieht das Leben heute in Afghanistan aus?

Die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet die neue Regierung, auch wenn die neuen Einschränkungen schmerzhaft sind. Dies nicht nur für Mädchen und Frauen, auch für die Männer ist es nicht leicht, damit zu leben. Die Lage im Land hat sich aber mit der neuen Regierung sicherheitstechnisch stark verbessert. Man kann sich in der Stadt und im ganzen Land frei bewegen, was man in den letzten 20 Jahren nicht mehr konnte. Die alte Regierung war sehr korrupt und Gesetze wurden willkürlich gehandhabt. Durch den Abzug des Militärs und der diplomatischen Vertretungen haben sehr viele Menschen ein Einkommen verloren, was meistens mehreren Familien diente. Wirtschaftlich gesehen ist es sehr schwierig geworden, daher verstehe ich den grossen Flüchtlingsstrom, der nun entstanden ist. Wir setzen alles daran, möglichst schnell unseren einheimischen Leuten wieder Arbeit und somit einen Lohn zu ermöglichen.

Du bist nun sozusagen auf dem Sprung wieder zurück nach Afghanistan. Was sind Deine dringlichsten Aufgaben dort?

Bereits letzten September war ich in Kabul und verhandelte mit der neuen Regierung, um zu eruieren, wie wir unsere Arbeit wieder aufnehmen könnten. Da es im Land keine soziale Unterstützung wie z.B. die AHV etc. gibt, ist die Regierung auf Hilfe von aussen angewiesen. Sie sind daran interessiert, dass die Menschen im Land Hilfe bekommen und es ihnen gut geht. Das macht wiederum das Regieren für sie einfacher.

Jetzt geht es vor allem darum, unsere Arbeit wieder aufzubauen, die Flugzeuge zurück nach Afghanistan zu fliegen und mit der Regierung neue Einsatzmöglichkeiten zu erstellen. Wir sind das Lufttaxi für etwa 100 Organisationen, die Projekte wie Spitäler, Schulen etc. an entlegenen Orten betreiben.

Wo hast Du in Deinen vielen Einsätzen «Gipfel erstürmt»?

Als PACTEC sind wir überall auf der Welt im Einsatz. Wir sind darauf spezialisiert, dorthin zu gehen, wo andere fortgehen oder wo es schwierig ist. In starker Erinnerung bleibt mir das Erdbeben 2003 in Bam, im Südosten von Iran. Ebenso das grosse Erdbeben in Muzaffarabad, in Pakistan und Nepal. Innerhalb von 24 Stunden waren wir vor Ort, um zu helfen. Dazu gehörte die Koordination der Nothilfe, aber auch um Hilfstransporte und medizinische Notflüge zu machen. Oder auch letztes Jahr als es im Norden von Mozambique wegen ISIS Kämpfen zu Flüchtlingsströmen geführt hat.

In unserer Arbeit braucht es einen langen Atem. Immer wieder erlebe ich Krisenmoment, kann ruhig bleiben und andere ermutigen, auch bei ausweglosen Situationen nach Lösungen zu suchen und umzusetzen, auch wenn sie unmöglich erscheinen. Das sind dann ganz persönliche Highlights.

Gipfel erstürmen zu können erlebe ich auch, wenn es möglich ist, mit Regierungen zu verhandeln, wo andere denken, es sei zu gefährlich. Durch meine langjährigen Erfahrungen und Kenntnisse der Kulturen und Sprachen kann ich mit Menschen verhandeln, wo andere sich zurückziehen. Ich fühle mich in diesen Kulturen sehr wohl, das ist mir wahrscheinlich mit in die Wiege gelegt worden.

Immer wieder versuchen wir zusammen mit anderen Hilfs-Organisationen, in abgelegenen Gebieten neue Pisten für die Flugzeuge zu bauen. Das bedeutet vorherige wochenlange Anfahrts- und Fusswege zu bewältigen und vor Ort mit den Dorfältesten zu verhandeln. Wenn es gelingt, manchmal nach jahrelangen Verhandlungen, ein Dorf zu überzeugen und dann den ersten Landeanflug dort zu machen, dann haben wir ein Gipfel-Ziel erreicht.

Lieber Daniel, ich danke Dir herzlich für den Einblick in Deine spannende Arbeits- und Lebensberufung!

Das Interview führte Elisabeth Gutzwiller