In der Ausgabe des SWK-Magazins «Rede Mitenand» 1/2024 ging es um das Thema: «NeuEntdecker», und wir haben dazu ein Interview mit dem Ehepaar König geführt. Ursprünglich wollten Judith und Ruedi König ein nachhaltiges Angebot schaffen, um für Menschen Gegenstände zu reparieren und ihren geliebten Stücken ein zweites Leben zu schenken. Im Interview erzählen sie, wie sie immer deutlicher erkennen, welche tiefen Wünsche dadurch erfüllt und wieviel Nöte gelindert werden können.

Brigitte Hirzel (BH): Nehmt ihr uns in die Entstehungsgeschichte mit?

Judith (JK): Mein Mann war bereits pensioniert und ich liess mich als Handarbeitslehrerin etwas früher pensionieren. In der neuen Lebensphase wollten wir noch etwas anderes machen und unsere Fähigkeiten für alles Mögliche einsetzen. Gott bestätigte diese Ideen. Wir kamen dann auf den Namen «flick-werk-mehr» und richteten eine Website ein. «flick-werk-mehr» bedeutet: Flicken, reparieren, abändern, Sonderanfertigungen und Neues kreieren. Kurz bevor die Pandemie losging, sagte Gott zu mir: «Nähe Masken!» Kurze Zeit später präsentierte ich meine verschiedenen Stoff-Masken auf Facebook und die Leute bestellten schweizweit!

BH: Welche Grundidee hattet ihr?

JK: Die Grundidee war, Dinge preiswert zu reparieren, anstatt wegzuwerfen. Vieles lässt sich mit kleinem Aufwand wiederherstellen. Heute wird alles teurer und wir müssen den noch vorhandenen Ressourcen Sorge tragen. Die Kunden bringen ihre kaputten Gegenstände zu uns und wir schauen, wie wir sie retten können. Ruedi repariert sämtliche Haushalts- und Nähmaschinen. Auswärts montiert er Lampen, Bilder, usw. Ich erledige die textilen Aufträge.

BH: Was macht ihr aktuell?

JK: Ich habe soeben das Innenfutter eines Koffers geflickt und bei einem Wollmantel den Saum sowie die Ärmel gekürzt. Es gibt etliche Leute, die keine Kleidungsstücke so tragen können, wie sie im Laden zu kaufen sind.

Ruedi (RK): Zurzeit mache ich einen Service an einer Bernina-Nähmaschine. Ich konnte von einem ehemaligen Monteur einen noch funktionierenden Motor erwerben und damit den Defekten ersetzen. Ich besuchte vor Jahren einen Kurs bei der Firma Pfaff. Dadurch bekam ich das notwendige Know-how.

BH: Welche Klientel sprecht ihr mit eurer Arbeit an?

JK & RK: Wir wollen alle Menschen ansprechen. Besonders diejenigen, denen es wichtig ist, weniger Abfall zu produzieren oder die emotional an Liebgewonnenem hängen. Wir finden fast immer eine Lösung, um etwas gebrauchsfähig zu machen. Unsere Kundschaft findet sich in jedem Alter, was wir grossartig finden!

BH: Wozu tut ihr diese Arbeit?

JK & RK: Wir streben nach Nachhaltigkeit. Wir wollen etwas dazu beitragen, Abfallberge zu verkleinern und den Leuten beim Geldsparen helfen. In vielen Geschäften heisst es: «Wir reparieren das nicht mehr, kaufen Sie ein neues Gerät!» Die Menschen hängen aber emotional daran. Oftmals ersetzen wir nur ein Teilstück und alles funktioniert wieder. Mit unserem Dienst haben wir eine Marktlücke entdeckt, denn solche Unikate kann man nirgends kaufen. Jeder Auftrag ist anders und einmalig. Es macht so richtig Spass, was an uns herangetragen wird. Zudem können wir Botschafter der Freude und Hilfe sein. Die grosse Dankbarkeit unserer Kunden bewegt uns. Die Leute strahlen jeweils und sind über das Resultat überaus glücklich. Übrigens: Es ist eine grosse Hilfe, wenn wir mit der Anfrage bereits Fotos erhalten. So können wir uns ein erstes Bild der Vorstellung machen und den Arbeitsaufwand abschätzen.

BH: Habt ihr berührende Geschichten erlebt, die euch zum Weitermachen animieren?

JK: Ja, solche haben wir viele erlebt. Die Leute trauen uns Arbeiten zu, die wir von uns aus nicht wählen würden. Durch diese Herausforderungen lernen wir ständig dazu und stossen auf neue Ideen. Ich bekam beispielsweise von einem Kunden einen Schaukelstuhl aus Flecht-Peddigrohr, der etwa 20 Jahre lang im Freien stand und dadurch stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich konnte diesem Stuhl mit wenig Aufwand, neuem Peddigrohr und Beize ein zweites Leben schenken.
Ein andermal sagte eine Frau zu mir, ihre Mutter hänge so an einer bestimmten Hose, ob ich ihr nicht wieder eine solche nähen könne. Ich nahm von der alten Hose ein Muster ab und nähte zwei solche Hosen in verschiedenen Farben. Eine andere Frau kam mit einem Mantel ihrer früh verstorbenen Mutter. Das Futter war völlig beschädigt. Ich konnte den Mantel neu einfüttern und nun trägt die junge Frau etwas Persönliches ihrer Mutter an sich.

RK: Eine Frau brachte eine Wandlampe in Form eines defekten rostigen Metallsegelschiffs zu mir. Ich reparierte die angerosteten Drahtleinen, defekten Lampenfassungen und Verdrahtungen. Alle Metallteile bekamen einen mattschwarzen Anstrich. Die Frau erfreute das Resultat sehr. Nun erinnert sie die Beleuchtung auf ihrem Balkon an die Ferien in Spanien, die sie mit ihrem verstorbenen Mann verbrachte.

BH: Gibt es Aufträge, die ihr in Teamarbeit erledigt?

JK: An einen Wunsch, den wir in Teamarbeit erfüllten, erinnere ich mich gut: Ein Mann in einem Elektrorollstuhl wünschte sich eine Ellbogenstütze (eine Art Wipp-Holzgerät) für sein iPad. Er konnte es selbst nicht mehr halten und wollte alles mit dem gleichen, bordeauxroten Leder überzogen haben. Ruedi hat das Wipp-Holz-Gerät kreiert und es oben mit weichem Schaumgummi gepolstert. Ich habe mit bordeauxrotem Leder einen Überzug genäht. Gemeinsam konnten wir diesem Herrn eine riesige Freude bereiten.

BH: Welche lustigen Geschichten begleiten euch im Flickwerk?

JK: Einmal kam ein Mann mit einer gestrickten Schlange zu uns, die er von seiner Grossmutter geerbt hatte. Für seine kleinen Kinder wollte er diese Schlange wiederherstellen lassen. Sein Auftrag benötigte viel Stopfwatte. Mit dem Maschenstich flickte ich grosse Partien und nun erfreut das Erbstück wieder Jung und Alt! Ein anderes Mal brachte jemand den Riesenbären eines Kindes zu uns. Das Stopfmaterial schaute heraus, der Kopf war abgerissen und überall hatte er Löcher. Das Kind war überaus happy, den geflickten Bären wieder zu bekommen. Letztlich bekam ich zwei Bettanzüge, die ein Hund zerrissen hatte, weil er durch ein Gewitter sehr erschrocken war. Ich durfte dann die Dreiangel der teuren Bettwäsche wiefeln.

BH: Was möchtet ihr zum Abschluss mit uns teilen?

JK: Die grosse Vielseitigkeit unserer Arbeit fordert uns oft heraus. Manchmal zweifeln wir an unseren Fähigkeiten. Dadurch sind wir von Gott abhängig und brauchen seine Weisheit und Hilfe. Wir dürfen erleben, dass Gott uns immer wieder Lösungen zeigt. Da ER uns die Idee für unser «flick-werk-mehr» gegeben hat, wollen wir die Arbeit mit IHM tun. Wir spüren den Segen, der in unserer Arbeit liegt.

Das Interview führte
Brigitte Hirzel
Redaktion SWK

Februar 2024