Zahlreiche Beziehungsexperten und Eheratgeber sind sich einig: Paare, die eine gemeinsame Vision für ihr Leben und ihre Ehe haben, haben die besseren Voraussetzungen, dass sie zusammenbleiben und eine glücklichere Partnerschaft führen. Aber was heisst das eigentlich? Eine Vision beschreibt einen wünschenswerten Zustand in der Zukunft. Wie ein zu erreichendes Fernziel gibt es Orientierung für das aktuelle Tun, weil es die Leitplanken definiert für kleine und grosse Entscheidungen und die Navigation durch das alltägliche Handeln.

Die Sehnsucht nach dem endlosen, weiten Meer

Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“, empfahl der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry.

Man stelle sich vor, ein Schiff geht auf Fahrt und die Besatzung kennt entweder das Ziel nicht oder hat unterschiedliche Ziele. Steuern und Navigation, Segel setzen und den Kompass einstellen – jeder tut, was er will. So wird das Schiff von Wind und Gezeiten auf dem Meer herumgeschubst werden. Nur, wenn alle zielgerichtet an einem Strang ziehen, werden sie das Schiff sicher durch alle Stürme und Turbulenzen an den Zielhafen führen.

Die Bildsprache ist eindeutig: Die Zielvision bestimmt über den Weg und die flankierenden Handlungen. Die Motivation dazu kommt aus einer tiefen Sehnsucht oder Überzeugung. Das gilt für das Leben jedes Einzelnen ebenso wie für die Ehe. In der Ehe ist es deshalb so wichtig und auch so kompliziert, weil es das gesamte Leben zweier teils sehr unterschiedlicher Menschen betrifft, währenddessen eine Einzelperson für sich allein Ziele definieren und Entscheidungen treffen kann. Umso wichtiger ist es, sich hier nicht nur von jedem Lüftchen in jedwede Richtung treiben zu lassen und zu hoffen, zufällig das Gleiche zu wollen und nebenbei ein Ziel zu erreichen.

Wie kommt man konkret zu einer gemeinsamen Vision für die Ehe?

«Am Anfang war das Wort …» heisst es im Johannes 1 in der Bibel. Am Anfang steht die Bewusstwerdung jedes einzelnen Partners, was die eigenen Sehnsüchte, Lebens- und Glaubensziele und Visionen sind. Wer an Gott glaubt, kann sich im Gebet darauf besinnen und fragen: «Was ist mir wichtig? Was erfüllt mich? Was gibt mir Kraft und Freude? Was will ich unbedingt erreichen? Wovon träume ich? Was gibt meinem Leben Sinn? Welche Gemeinschaften sind mir wichtig? Welche Spuren will ich hinterlassen? Was will Gott in meinem Leben und meiner Beziehung bewirken

Anschliessend geht es darum, einander seine Ziele mitzuteilen und sich dabei gegenseitig anzuhören und zu verstehen. Am Schluss kommt der schwerste Teil: Sich für gemeinsame Visionen und Ziele entscheiden und das Handeln diesbezüglich synchronisieren und fokussieren. Wenn beide an einem Strick ziehen – und das nicht in entgegengesetzten Richtungen – dann lässt sich damit Kraft für die gemeinsame Richtung bündeln, Grosses bewegen und das mit einem verlässlichen Partner an der Seite.

In die gleiche Richtung blicken

Denn es liegt auf der Hand: Wer den Sinn versteht, tut sich mit einzelnen Einschränkungen leichter. Wer gemeinsam ein ordentliches Zuhause anstrebt, um ein offenes Haus für Freunde zu haben, kennt das Ziel und den Gewinn und wird sich gemeinsam dafür investieren wollen. Oder wer Genuss zum Ziel hat, wird sein Geld für den Erwerb von solchen Genussmomenten einsetzen. Wer allerdings auf ein gemeinsames Haus spart, wird sich bewusst und übereinstimmend auf gewisse Einschränkungen einlassen, um dieses Grossziel verwirklichen zu können.

Gemeinsame Ziele helfen, von Stürmen und Krisen nicht abgetrieben zu werden oder wieder auf Kurs zu kommen. Gemeinsam erreichte Zieldestinationen stärken die Bindung. Liebe und Glücklichsein ist nicht oberstes Ziel einer Ehe, aber sie sind Begleiter auf einem gemeinsamen Weg, hin zu den gesteckten Lebenszielen. Noch einmal Saint-Exupéry zum Abschluss: «Liebe besteht nicht darin, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt