In der Ausgabe des SWK-Magazins «Rede Mitenand» 2/2025 ging es um das Thema «SpielPartner». Wir hatten das Glück, dazu einen Experten und echten «SpielPartner» zu befragen: Markus Brand. Das deutsches Spieleautorenpaar Inka und Markus Brand hat seit 2006 über 40 gemeinsam  Spiele entwickelt und  diese veröffentlicht. Mehrere mit davon wurden mit Preisen ausgezeichnet. Wie sich sich kennenlernten und wie es ist, gemeinsam zu spielen, zu verlieren und zu gewinnen und welche Parallelen es zum echten Leben und ihrer Liebesbeziehung gibt, erzählte uns  in diesem Interview.

Nachfolgend das vollständige Interview:

Jonny Eschmann (JE): Wie und wo habt ihr beide euch kennengelernt? War es quasi Liebe auf den ersten Spielzug?

Markus Brand (MB): Wir haben uns auf einer Hochzeit von gemeinsamen Freunden kennengelernt. Wir kannten uns vom Sehen, fanden uns nicht besonders toll, haben auch den Abend über am Tisch nicht viel miteinander geredet. Bis Inka plötzlich angefangen hat, mit ihrem anderen Sitznachbarn über Gesellschaftsspiele zu reden. Da wurde ich hellhörig, weil ich dachte, dass ich der Spielepapst bin und die Ahnung schlechthin zum Thema Spiele habe. Sie hat mich aber schnell eines Besseren belehrt, denn sie hatte über 300 Spiele im Regal stehen, hat sich auf eine Fachzeitschrift bezogen und ist zur Spielemesse nach Essen gefahren, was für mich gänzlich neu war. So kamen wir ins Gespräch und waren auf der Hochzeit tatsächlich auch die letzten Gäste. Wir haben erst morgens um 9:00 Uhr die Feier verlassen und uns zum Spieleabend verabredet, wo ich Inka natürlich habe gewinnen lassen und dann tatsächlich auch ihr Herz eroberte.

JE: Welches ist euer persönliches Lieblingsspiel und weshalb?

MB: Unsere persönlichen Lieblingsspiele variieren. Bei Inka ist es das Spiel des Jahres «Zug um Zug», weil man da permanent dran sein will, es für totale Spannung am Tisch sorgt und die ganze Familie involviert ist. Mein Lieblingsspiel aktuell ist «Die Legenden von Andor», ein kooperatives Spiel.

JE: Hand aufs Herz; wer von euch ist der bessere Verlierer?

MB: Inka würde antworten: «Verlierer, was ist das? Ich gewinne immer.» Und ich würde antworten: «Ich lasse sie gerne gewinnen, damit sie ein Lächeln auf dem Gesicht hat.» Also bin ich klar der bessere Verlierer.

JE: Fussball spielen und Fussball schauen sind zweierlei Dinge. Geht es euch beim «Spiele entwickeln» und «Spiele spielen» genauso oder mögt ihr beides genau gleich?

MB: Spiele entwickeln und Spiele spielen sind natürlich zweierlei Dinge, aber tatsächlich mögen wir beides gleich gern. Wir haben uns übers Spielespielen kennengelernt und gemeinsam entschieden, dass wir es mal versuchen mit dem Spieleentwickeln und daraus haben wir eine Leidenschaft entwickelt. Also wir mögen wirklich beides gleich gern. Obwohl es schon ganz unterschiedliche Dinge sind. Ein fertiges Spiel zu spielen ist etwas ganz anderes, als vor einem Blatt Papier zu sitzen und da ein Spiel drauf zu zaubern. Das gelingt manchmal und manchmal nicht. Das sorgt schon mal für Frust, aber das können Spiele auch wenn man grottig schlecht spielt und verliert.

JE: Wurde euch das «Spielemögen» bereits in die Wiege gelegt oder wurden bei euch zu Hause nur wenig (Gesellschafts-)Spiele gespielt?

MB: Zu Hause in der Familie fehlten uns tatsächlich immer die Spielpartner. Weder Inkas noch meine Eltern haben viele Gesellschaftsspiele gespielt. Auch unsere Geschwister waren nicht die übermässigen Spieler. Trotzdem hatten wir immer diese Leidenschaft. Vermutlich, weil wir viel mit Freunden gespielt haben. Eigentlich haben wir immer versucht, Gesellschaftsspiele im Freundeskreis zu spielen. Aber nein, in die Wiege gelegt wurde uns das Ganze nicht.

JE: Was fasziniert euch bei Spielen so sehr, dass ihr euch dieses Berufsfeld ausgesucht habt?

MB: Wir hatten überhaupt nicht vor, Spieleentwickler zu werden. Inka hat mir 1999 zum Geburts-tag ein «Siedler von Catan»-Wochenende des Kosmos-Verlages geschenkt. Da sind wir hingefahren. Als wir dort ankamen, haben wir erfahren, dass sie sogar einen Workshop anbieten, bei dem man Prototypen, also unveröffentlichte Spiele, testen darf. Da haben wir mitgemacht und waren sehr fasziniert davon, diese Spiele in ihrer Rohfassung zu sehen; einfach mit Bleistift bemalte Karten, mit Wasserfarben gestaltete Spielpläne, so was komplett Unfertiges. Und es war faszinierend zu sehen, was daraus werden kann, wenn es nachher im Regal steht. Noch auf dem besagten Wochenende (siehe oben) haben wir den Entschluss gefasst: Wir versuchen es auch mal. Und wir sind nach Hause gefahren und haben uns sofort an den Tisch gesetzt und eine erste Spielidee entwickelt. Ja, und dann sollte es noch sieben Jahre dauern, bis wir tatsächlich das erste Spiel veröffentlicht haben.

JE: Ab wann stand für jeden von euch fest, dass er/sie Spieleentwickler/in werden möchte?

MB: Noch auf dem besagten Wochenende (siehe oben) haben wir den Entschluss gefasst: Wir versuchen es auch mal. Und wir sind nach Hause gefahren und haben uns sofort an den Tisch gesetzt und eine erste Spielidee entwickelt. Ja, und dann sollte es noch sieben Jahre dauern, bis wir tatsächlich das erste Spiel veröffentlicht haben.

JE: Wie genau wird man Spieleentwickler/in? Gibt es da eine Art «Unitversity of Games» und man schliesst sein Studium dann erfolgreich als «Gamemaster» ab?

MB: Brett- oder Kartenspiele entwickeln kann man nicht lernen, dafür gibt’s keinen Studiengang. Es ist manchmal Teil von Game-Design, aber dieser Studiengang geht eher in die digitale Schiene. Das Entwickeln analoger Spiele muss man sich tatsächlich selbst beibringen. Und wenn man da Spass dran hat, dann setzt man sich hin und tüftelt an Ideen, probiert die häufig aus und nimmt Ratschläge von den Testern und Redakteuren entgegen. Man braucht viel Ausdauer, denn oft bekommt man auch eine Absage, wenn man das Spiel beim Verlag einreicht – bei uns sieben Jahre lang in Folge. Wir hatten da ei-nen sehr, sehr netten Redakteur beim Kosmos Verlag, dem wir unsere Ideen gezeigt haben. Der hat wohl unser Potenzial erkannt und immer gesagt, es sei noch kein Programmplatz für uns frei. So hat er uns bei der Stange gehalten. Denn andernfalls hätten wir vermutlich nicht sieben Jahre lang erfolglos Spiele entwickelt, sondern hätten irgendwann gesagt: «Ok, wir scheinen‘s doch nicht zu können.» Dann konnten wir 2006 endlich unser erstes Spiel veröffentlichen. Beim einen dauerts eben länger, beim anderen geht‘s schneller. Aber wenn man wirklich an seine Idee glaubt, dann wird das auch was.

JE: Ihr seid ja «SpielPartner» im doppelten Sinne. Einerseits entwickelt ihr kooperative Spiele, bei denen es mind. einen Spielpartner/in braucht. Andererseits entwickelt ihr die Spiele (immer?) zu zweit als Paar. Wie ergänzt ihr euch darin bzw. wo liegen die einzelnen Stärken bei euch?

MB: Es ist ein unheimlicher Vorteil, zu zweit oder als Paar Spiele zu entwickeln, denn man hat seinen Spielpartner direkt am Tisch sitzen, kann jede Idee sofort ausprobieren und ist nicht darauf angewiesen, eine Testrunde aufzusuchen, die diese neuesten Ideen dann mal durchspielt. Wir können eben alles zu zweit sofort am Tisch ausprobieren und merken relativ schnell, ob etwas funktioniert oder nicht. Das ist ein enormer Vorteil gegenüber Autoren, die allein entwickeln, denn die sind wirklich auf die Hilfe von Externen angewiesen. Die müssen in eine Testrunde gehen und die neuesten Spielzüge ausprobieren. Dann gehen sie wieder nach Hause, korrigieren an ihren Prototypen herum und dann suchen sie wieder ‘ne Testrunde auf. Das zieht den Prozess in die Länge und das können wir umgehen. Wir probieren relativ schnell aus, ob etwas funktioniert oder nicht. Und ja, wir ergänzen uns da wirklich prima. Es ist eine Art Pingpong: Der eine hat ‘ne Idee, die wird auf den Tisch gebracht, der andere gibt sofort sein Feedback. So werden wirre Gedanken rasch verworfen und gute Ideen weiterverfolgt. Ich bin der mathematische Part in der Beziehung und berechne Wahrscheinlichkeiten, Punkteverteilung und Wertigkeiten etc. Inka erfindet vieles aus dem Bauch heraus, erzeugt dann ein kreatives Chaos, das ich dann versuche in mathematisch geordnete Bahnen zu bringen. Und am Ende kommt immer was Schönes dabei raus. Also wir passen da perfekt zusammen.

JE: Gerät man bei der Spielentwicklung auch mal aneinander oder wie geht ihr bei unterschiedlichen Vorstellungen über den Spielverlauf einer Neuentwicklung um?

MB: Ja, wir geraten häufig aneinander, wenn wir unterschiedliche Vorstellungen bezüglich einer Spielidee haben. Dann diskutieren wir ganz wild und es geht dabei heiss zu und hoch her. Aber am Ende finden wir immer eine Lösung und haben uns dann wieder lieb.

JE: Werdet ihr auch mal «spielmüde»? Oder macht man nach einem «Spiele-Entwicklungs-Tag» dann abends auch noch gerne Spiele mit anderen?

MB: Also wenn wir wirklich den ganzen Tag am Tisch gesessen und kreativ gearbeitet haben, dann ist man auch wirklich froh, wenn man abends die Couch besuchen darf und nicht noch ein Spiel spielen muss. Aber spielmüde werden wir nicht wirklich.

Wir spielen tatsächlich gerne und vor allem probieren wir auch das aus, was unsere Kollegen sich Neues ausgedacht haben. Wir sind also sehr neugierig auf neue Spiele und mindestens einmal die Woche wird bei uns zu Hause mit unseren Freunden gespielt. Auch zocken wir die neusten Games, sind häufiger auf Spielewochen, organisieren selbst ein Spiele-Event mit über 100 Teilnehmern. Spielmüde werden wir garantiert nicht.

JE: Woher holt ihr euch die Inspiration für eure kreativen Ideen für all die neuen Spiele, die ihr Jahr für Jahr rausbringt (gerade auch bei einer Exit-Reihe, deren «Grundaufbau» ja stets dieselbe ist?

MB: Im Moment lassen wir uns hauptsächlich für Rätsel inspirieren, denn «Exit» nimmt schon einen sehr, sehr grossen Teil unserer täglichen Arbeit ein. Wir kommen kaum noch dazu, andere Spielideen zu verwirklichen, weil wir so viele Exit-Produkte bearbeiten. Es sind jedes Jahr zwischen acht und zwölf Produkte, an denen wir teils gleichzeitig arbeiten. Da bleibt kaum Zeit für etwas anderes. Inspiration holen wir uns hierfür überall. Ich erzähle immer gerne das Beispiel, dass mich die Tapete im Badezimmer meines Hausrates inspiriert hat. Und genau diese Tapete findet man tatsächlich dann auch in einem «Exit»-Buch wieder. Und da haben wir ein Rätsel rein kreiert in dieses Muster und so kann das überall passieren. Ein andermal sind wir in Köln spazieren gegangen und haben an einer Hauswand Rohre entlanglaufen sehen, die Zahlen gebildet haben. Auch daraus haben wir dann ein Rätsel gemacht. Inzwischen denken wir aber wirklich fast ausschliesslich über Rätsel nach. So begegnen uns nun häufiger Dinge, die man verrätseln kann, glaube ich.

JE: Wie lange dauert es circa von der Idee bis hin zum Verkauf im Laden, bis ein neues Spiel, das ihr entwickelt habt, rauskommt und erhältlich ist?

MB: Das ist unterschiedlich. Unsere längste Entwicklung hat über drei Jahre gedauert. Das war ein «Legacy-Spiel» und heisst «Rise of Queensdale». Das ist ein Spiel, indem sich mit jeder Partie die Regeln erweitern und man vom einfachen Familienspiel zum komplexen Kennerspiel heranwächst. Das hat bei uns wirklich fast zwei Jahre gedauert und dann noch über ein Jahr redaktionelle Bearbeitung. Im Prinzip sind vom Beginn bis zur Veröffentlichung über drei Jahre ins Land gezogen. Wir haben auch das absolute Gegenteil erlebt: Die kürzeste Entwicklung hat fünfzehn Minuten gedauert und war nach einem halben oder einem dreiviertel Jahr schon fertig und in den Regalen. So etwas hängt immer auch davon ab, wo produziert wird und welche Wege das Spiel noch auf sich nehmen muss, bevor es in den Regalen steht.

JE: Inwiefern seht ihr Parallelen zwischen einer guten Paarbeziehung und einem guten Spiel?

MB: Na, in einer guten Beziehung und in einem guten Spiel sollte es immer wieder Überraschungen geben, nichts vorhersehbar sein und vor allem nicht langweilig werden. Man sollte immer wieder spannende neue Facetten entdecken können und ja, man muss sich auf sein Gegenüber einlassen und seine Stärken zeigen, aber auch Schwächen zulassen.

JE: Wenn das Leben ein Spiel wäre, was wären eure besten Spieltipps?

MB: Wenn das Leben ein Spiel wäre, dann wäre es ein kooperatives Spiel. So gehen wir auch durchs Leben. Wir meistern alle Herausforderungen gemeinsam. Dann kann man sich auch über Erfolge gemeinsam freuen und über Niederlagen gemeinsam ärgern. Man ist gemeinsam traurig und gemeinsam glücklich und ja, deswegen ist das Spiel des Lebens wohl ein kooperatives Spiel.

JE: Ich danke dir herzlich für das Interview.

Das Interview führte
Jonathan «Jonny» Eschmann

April 2025